Das Comic-Magazin ZACK im Freudentaumel

Nun wird das „neue“ ZACK auch schon altehrwürdig! Es feiert Jubiläum, 25 Jahre wird es jetzt alt, in denen 300 monatliche Ausgaben erschienen sind – inzwischen mehr, als das „alte“ ZACK in seinen acht Jahren Lebensdauer erreichte.

Titel des neuen ZACK-Magazins der Nummern 1 und 300Für Nachgeborene: ZACK, das ist das legendär gewordene Comic-Magazin, dessen erste Ausgabe im April 1972 erschien und das einen echten Schub in der Comic-Akzeptanz in diesem Land bedeutete. Frankobelgische Klassiker wie „Andy Morgan“, „Michel Vaillant“, „Rick Master“, „Mick Tangy“, „Comanche“, „Luc Orient“ oder „Umpah-Pah“ erschienen darin zum ersten Mal auf Deutsch oder wurden auf bedeutend breiterer Basis erfolgreich als in ihren früheren deutschen Auftritten.

ZACKs Vorbild bildete die belgische Comic-Zeitschrift „Tintin“, und aus dessen Inhalten wurde reichlich nach Deutschland importiert; ein zweiter Zustrom erfolgte aus dem französischen Magazin „Pilote“ mit den Erfolgsserien „Lucky Luke“, „Blueberry“, „Mick Tangy“ und „Valerian“.

Eine ganze Generation wurde durch ZACK geprägt. Für den Erfolg frankobelgischer Serien in Deutschland wurde das Heft ebenso ein Meilenstein wie für die Belebung der Comic-Szene in unserem Land. Zeichner wie Hermann, Jean Giraud oder Eddy Paape wurden zum Begriff, Szenaristen wie René Goscinny und Greg hoben die Wertschätzung von Comic-Autoren auf eine ganz neue Stufe.

Dennoch währte der Erfolg nicht nachhaltig, das Magazin erlebte Krisenjahre und der ganz große Wurf, den es Ende der 70er Jahre anstrebte, nämlich zum führenden, international erscheinenden europäischen Comic-Magazin zu werden, wurde im Gegenteil zum Stolperstein, der das Heft in die Auflösung zwang. Zum Zeitpunkt der Einstellung hatte es qualitativ allerdings auch bereits empfindlich eingebüßt.

Die begeisterten ZACK-Leser trauerten nicht dem Abgesang, sondern den großen Jahren nach, in denen Blueberry und Luc Orient den amerikanischen Westen durchritten oder die Weiten des Alls durchreisten, Andy Morgan und Comanche in von Hermann packend gezeichneten Szenerien spannende Abenteuer erlebten, Umpah-Pah, Lucky Luke und Kasimir uns Tränen lachen ließen oder Michel Vaillant uns so zu Rennfahrern machte wie Bruno Brazil zu Geheimdienst-Haudegen. Was damals in ZACK erschien, gilt heute ganz überwiegend als Comic-Klassiker, und was wir in jungen Jahren in den Heften lasen, erlebt inzwischen Auflage um Auflage in schön eingebundenen Werkausgaben.

Die Titel des "alten" ZACK-Magazins Nr. 17/1972 und 32/19801999 realisierte sich ein echter Traum alter Leser, ein Team um Chefredakteur Martin Jurgeit und den Comic-Verleger Klaus D. Schleiter startete einen Neuanfang. Dass sie es ernst meinten, ZACK wieder aufleben zu lassen, zeigte sich schon in den 12 Ausgaben des ersten Jahrgangs, denn die vereinten Kräfte schafften es, alte Helden wie „Michel Vaillant“, „Cubitus“, „Dan Cooper“ und „Blueberry“ erneut ins Heft zu holen, weitere folgten.

Das ist inzwischen 25 Jahre her und das „neue“ ZACK erfreut sich exzellenter Frische bis heute. „Michel Vaillant“, „Mick Tangy“, „Rick Master“ und „Bob Morane“ gehören auch heute noch mit ihren aktuellen Abenteuern zu den Stammhelden des Hefts, andere Serien wie Jean van Hammes „Rani“, „Harmony“ oder „Amoras“ sind hinzugekommen und stehen ihnen qualitativ nicht nach.

Zum 25jährigen Jubiläum ist eine Sonderausgabe erschienen, die in besonders gedrängter Form ein Stelldichein der alten Helden in neuen Episoden feiert. Hermann gibt in „Mad Dog“ seiner „Comanche“-Saga eine atmosphärisch dichte, neue Voraus-Episode. Xavier lädt uns Leser mit Andy Morgan noch einmal in die „Festung im Nebel“ ein und macht seine Sache so gut, dass sofort der Wunsch nach einer Fortsetzung der Serie entsteht. Turk (im alten ZACK mit einigen „Colonel Clifton“-Geschichten vertreten) zeichnet in seinem karikaturhaften Stil eine „Luc Orient“-Parodie. In glänzender humoristischer Form erweisen sich Dany mit einer Hommage an Rick Master und Michel Rodrigue und Erroc, die mit Cubitus die goldenen Jahre von „Tintin“ feiern. Natürlich dürfen auch Kurzgeschichten um Michel Vaillant und Dan Cooper nicht fehlen.

Möglich wurde diese Jubiläumsnummer durch die große Sonderausgabe „77 Jahre Tintin“, die im letzten Jahr in Frankreich und Belgien erschienen ist. Teils die alten Zeichner, teils jüngere Könner des Comic-Fachs – als Hommage an die Comics, mit denen sie groß geworden sind – schrieben und zeichneten für sie Storys, die gerne auch eine Weiterführung finden dürfen. Schließlich liegen Serien wie Andy Morgan, Comanche, Luc Orient oder Cubitus seit gar zu vielen Jahren völlig brach.

Die Jubiläumsausgabe (Nr. 300, Juni 2024) ist frisch im Handel, 100 Seiten kosten 9,70 Euro. Solange der Vorrat reicht. Und wer als Wieder- oder Neu-Leser von ZACK Feuer fängt, darf sich gleich auf die nachfolgende Ausgabe freuen, die nicht nur die Fortsetzung des aktuell laufenden „Mick Tangy“-Abenteuers enthält, sondern feine neue Serien und Entdeckungen wie „Harmony“, „Mata Hari“, „Aleksis Strogonov“ oder – besondere Empfehlung – „Bootblack“ vom herausragenden Zeichner Mikael.

Michael Klein

 

Zur Website von ZACK geht es hier.

 

Von der Kritik beleuchtet: Joseph Conrads und Ford Madox Fords „Die Natur eines Verbrechens“

„Die Natur eines Verbrechens“ von Joseph Conrad und Ford Madox Ford ist in seiner deutschen Erstausgabe inzwischen seit gut einem Vierteljahr erhältlich, und die Bewohner der Jackson Insel freuen sich, dass das Buch Resonanz findet.

Joseph Conrad, Ford Madox Ford, Die Natur eines Verbrechens, CoverDie zeitlich erste Kritik – zumindest die zeitlich erste Kritik, die die Ufer der Jackson Insel erreichte – erschien in der Februarausgabe des Wetzsteinbriefs, dem monatlichen Bücherempfehlungsmagazin der gleichnamigen Freiburger Buchhandlung. „Ein eigenwilliger, kleiner Roman“, befindet Susanne Bader in ihrem Fazit, „rätselhaft und faszinierend.“ Und: „Aufschlussreich sind die angehängten Dokumente einer schwierigen, dennoch produktiven Zusammenarbeit von zwei großen Autoren.“

Mit einem interessanten Auftakt beginnt die am 19.2. eingestellte Kundenrezension von Franz Joachim Schultz auf den Seiten von Amazon: „Ein ganz vertracktes Stück Literatur. Zuerst dachte ich, das könnte von Henry James stammen.“ Das überrascht im ersten Moment, leuchtet im nächsten aber sofort ein. In der Tat: Angenommen, man wüsste lediglich, dass Ford ein Buch zusammen mit einem anderen Autor verfasst habe, aber nicht, wer es gewesen sei – man würde angesichts der Anlage des Werks Henry James mindestens ebenso sehr vermuten können wie Joseph Conrad. Das Buch unter diesem Aspekt zu lesen, ist ein zusätzlicher kluger Ansatz. Schultz schließt mit den Worten: „Ich verspreche: An diesem Text werden Sie Ihre Freude haben.“

„Die Geheimkammern der Literatur sind immer noch reich gefüllt mit hierzulande bisher Ungehobenem“, beginnt am 2. März Andreas Platthaus seine Kritik in der F.A.Z. und eröffnet seinen Text mit einem Erwartungshorizont; im Grunde möchte er einen unbekannten Joseph-Conrad-Roman lesen, am liebsten ein Abenteuer a la „Lord Jim“ oder „Herz der Finsternis“. Das ist nur zu verständlich, insbesondere einen zweiten Lord Jim würden wir alle gerne lesen. Eingangs beschreibt Platthaus das Buch tatsächlich als „Joseph-Conrad-Roman“, es ist jedoch eben das Werk zweier Autoren und, wie der Buchrücken erklärt, ein Bekenntnisbuch. Bevor wir zu Andreas Platthaus’ Einschätzung kommen, seien – aus gleich ersichtlichen Gründen – die letzten Zeilen des Buchnachworts zitiert: „Die Natur eines Verbrechens ist nicht die späte Entdeckung eines verschollenen Meisterwerks, aber aus dem Kurzroman glitzern die Möglichkeiten hervor, als Leser bekommen wir über einzelne Strecken hinweg viel Kohlestaub, aber auch ihn sehen wir schon vorgepresst und können ermessen, dass die Möglichkeit zu Diamanten in ihm lag, von deren Aussehen wir eine bereits halb vage, halb schon geformte Vorstellung bekommen.“ In seiner Bewertung befindet Andreas Platthaus, „dieser gehobene Schatz“ – das Werk der beiden Autoren – „ist eher literarisches Katzengold“. Das grundsätzliche Urteil ist, bis hin zur Wahl der beschreibenden Metapher, also nicht weit voneinander entfernt, jedoch mit unterschiedlichem Fokus. Katzengold glänzt und glitzert übrigens nicht weniger als echtes Gold und besitzt zudem den schönen Vorteil, dass es sich jeder leisten kann. Auch lässt Platthaus die Möglichkeit offen, dass sich durchaus echtes Gold hineingemischt haben könnte, denn er schreibt „eher“ und nicht „gewiss“. Der Satz, mit dem er die Essenz seiner Kritik stimmig auf den Punkt bringt, lautet: „Psychologisch betrachtet ist Die Natur eines Verbrechens ein faszinierendes Buch; stilistisch indes fehlt all das, was sowohl Conrads als auch Fords einzeln verfasste Werke auszeichnet: Anschaulichkeit und Spannungsaufbau.“ Dieses Urteil ist völlig legitim, es gäbe aber auch Gegenargumente. Denn es ist keineswegs so, dass Conrad und Ford uns die Psychologie des Protagonisten abstrakt erklären, sondern dass sie sich der Leser im Verlauf des Werks langsam erschließen muss, was zwangsläufig auf eine innere Spannungsführung hindeutet; und nimmt man diese erschlossenen Erkenntnisse dann in eine zweite Lektüre mit, stellt sich zudem ein beträchtliches Mehr an Anschaulichkeit ein, weil sich zunächst disparat erscheinende Aussagen plötzlich in einem anderen Licht erklären.

In seiner ausführlichen Kritik in der Leipziger Zeitung fächert Ralf Julke kompetent und engagiert die zahlreichen Aspekte des Werks auf und unterstreicht vor allem, dass der von Ford und Conrad analysierte Protagonist ein Typus der Moderne ist, dessen Schilderung und Durchleuchtung bis heute nichts an Aktualität verloren hat: „Herzlich willkommen in der Gegenwart. Der Typus ist nicht ausgestorben, im Gegenteil. Unsere ganze Gesellschaft ist davon durchdrungen. Das ist das beklemmend Gegenwärtige an der Geschichte.“ Eine gute Nachricht ist, dass Ralf Julkes Kritik auf den Seiten der Leipziger Zeitung ohne Zugangsbeschränkung vollständig online zu lesen ist, weshalb die Bewohner der Jackson Insel für die Lektüre weiterer Aspekte einen Klick auf das fett gesetzte hier empfehlen, das schnurstracks dorthin führt.

Die Bewohner der Jackson Insel freuen sich über alle diese Kritiken. (Und wenn hier etwas fehlen sollte, hat es unsere kleine Insel nicht erreicht.)

See-Land – Splitter

Von Ohrwürmern und großen Miniaturen

Vor einiger Zeit war im Blog dieser Seite hier eine begeisterte Kritik zur EP „See-Land“ zu lesen, die damals frisch herausgekommen war und auf die ich durch eine Sendung im WDR aufmerksam wurde. Der Sender hatte zwei Stücke daraus gespielt, aber als Ganzes wirkte die EP sogar noch deutlich besser. Jetzt sind die CD und das Vinylalbum „Splitter“ von See-Land erschienen, mit 13 Stücken, darunter übrigens alle der EP in klanglich noch einmal überarbeiteten und dadurch im Detail noch ausgefeilteren Versionen.

See-Land - Splitter Cover„See-Land“ ist ein Musikprojekt von Martin Deville, das er vor allem zusammen mit der Sängerin Esther-Marija Stemmer realisiert. Die neue Platte zeigt, was die EP bereits versprach: Ihre Arbeiten sind auf der einen Seite sehr homogen und zeigen zugleich einen ganz eigenen, unverwechselbaren Charakter. Zum anderen öffnen sie sich zu einer enormen Kompositionsbreite, von anspruchsvollen Ohrwürmern wie „Liebeslied“ und „Weil ohne Grund sie nicht hoffen kann“ bis hin zu Instrumentalstücken wie „Dein eigenes Echo“ und „Splitter“, zwei kurze Meisterwerke, die in die klassische Musik hineinreichen.

Der Titel „Splitter“ ließe spontan eigentlich auf etwas Schneidendes, Zerstörtes, Fragmentarisches schließen, aber schon die Pointe der Cover-Gestaltung von Natalie Curtis zeigt zurecht einen auffallenden, schönen Kontrast dazu, denn sowohl in den Kompositionen wie in den deutschen, poetischen Texten, die gekonnt Assoziationsräume öffnen und ihre Geschichten halb offenbaren und halb ein Geheimnis für den Hörer als Ausgangspunkt eigener Reflektionen lassen, geht es lebenserfahren, sensibel und auf völlig unsentimentale, aber auch unerschrocken-dezente Weise gefühlvoll zu.

Vier Anspieltipps sind bereits genannt, aber man könnte diese Liste beliebig verlängern. Leser dieser Zeilen können sich ohne jegliche Umstände ein eigenes Urteil bilden, denn die Stücke sind auf den üblichen Streamingkanälen a la Spotify, YouTube und Co. abrufbar. Und wer dann die CD oder das Vinylalbum sein eigen nennen möchte, findet beides überall im Fachhandel sowie weitere Informationen über See-Land hier.

P.S. Die Bewohner der Jackson-Insel haben ein offenes, objektives Urteil über 12 der Stücke auf dieser Platte, ein dreizehntes lassen sie an dieser Stelle unerwähnt. Der Leser findet den Grund hier.

 

Titel von GOOD TIMES 1/2024

GOOD TIMES 1/2024

„Sanfte Melodien, federleicht und größtenteils akustisch arrangiert, kluge Texte und zur richtigen Zeit ein eingestreutes Instrumental, SPLITTER lässt einen tief eintauchen in die zwischen Pop, Folk und Chanson pendelnden (Traum-) Welten, die hier erschaffen werden.“ Ulrich Schwartz, GOOD TIMES 1/2024

Betörende Klänge, hauchzarter Gesang voller Melancholie und poetische deutsche Texte: Das Debütalbum „Splitter“ bietet in seiner Kunstfertigkeit und Konsequenz eine Musik dar, die Feinschmecker auf Entdeckungsreise glücklich machen wird. Uli Grunert, Schall Musikmagazin

Hanjo Kesting: Schnee von gestern

Aus der Reihe: Bücher, die sich wirklich lohnen

Schnee von gestern, zeitlos
Neue Berichte aus den Chroniken der Belesenheit

„Schnee von gestern“ heißt ein Buch von Hanjo Kesting, das vor anderthalb Jahren erschienen und inzwischen schon gar nicht mehr sein neuestes ist. Aber man kann ein Buch, das einen solchen Titel trägt, nicht besprechen, wenn es noch ganz frisch ist, nicht wahr? Das wäre ein Widerspruch.

Noch bevor der Leser mit der Lektüre beginnt, drängt sich ihm die Frage auf, warum das Buch ausgerechnet „Schnee von gestern“ heißen mag. Schließlich ist dies doch ein offenkundig kommerziell gewagter Titel. Landläufig verbinden wir mit der Formulierung „Schnee von gestern“ etwas Verjährtes, mithin unbedeutend Gewordenes, etwas, das für uns kein Interesse mehr besitzt, weil es einer dahingeschmolzenen Vergangenheit angehört, ohne Spuren hinterlassen zu haben. Und das gilt in einer heutigen Zeit, die zu Hektik, Rasanz und schwindelnd gesteigerter Halbwertszeit neigt, noch mehr. Zur allgemeinen Neugier auf die Texte dieses Buches gesellt sich also eine zusätzliche offene Frage, denn es gibt weder ein Vor- noch ein Nachwort, das den Titel erklären würde. Andererseits versteht Hanjo Kesting, einer der profundesten Literaturkenner dieses Landes, Sprache viel zu gut, als dass man eine Ungeschicklichkeit unterstellen könnte.

"Schnee von gestern" und die Buchkassetten "Erfahren, woher wir kommen"

„Schnee von gestern“ und die drei Buchkassetten „Erfahren, woher wir kommen“

Der Band ist 500 Seiten schwer und enthält eine Sammlung von Texten zur Literatur und Geistesgeschichte. Ein klarer Schwerpunkt liegt auf Erkundungszügen durch die deutsche und internationale Literatur seit dem Ende des II. Weltkriegs, als Beispiele seien Martin Walser, Siegfried Lenz, Alfred Andersch, Raymond Carver oder John Updike genannt. Daneben gibt es einige Ausflüge zu Klassikern wie Daniel Defoe, Friedrich Nietzsche oder James Joyce. Eine zusammenhängende Darstellung ist es nicht, sondern Grundzüge eines Gesamtbilds aus dem Geist einzelner Mosaiksteine, die in der Summe über sich hinausweisen. Zugleich ist das Buch eine Art umfangreiches Supplement zu Kestings großen Literaturübersichten, vor allem natürlich den neun Bänden seiner Gesamtschau zur Literatur- und Geistesgeschichte mit dem übergreifenden Titel „Erfahren, woher wir kommen“.

„Man muss die Gegenstände, über die man schreibt, lieben, wirklich lieben“, formuliert Kesting in einem kurzen Grund-Credo auf dem Buchrücken, „ohne die kritische Distanz dabei einzubüßen.“ Das ist ein entscheidender Punkt, der erklärt, warum sich seine Texte so spannend lesen: Sie strahlen die Begeisterung der Lektüre aus, die Grundbegeisterung für die Literatur, nicht ein einziger Satz, in dem Kesting sich über einen Autor oder ein Buch erhebt; die Eitelkeit eines bestimmten Kritikertypus ist ihm fremd. Und das Ausmaß der Liebe wird auch in den Texten in ihren Abstufungen sichtbar. Diejenigen über Erich Maria Remarque, Erich Kästner oder Erich Fried besitzen einen ganz anderen Schwung als einer über Christoph Martin Wieland, um die Ausnahme eines weniger gelungenen Textes zu nennen. Am Ende der Lektüre fühlt man sich bereichert, vor allem aber neugierig gemacht auf konkrete Bücher und darüber hinaus weitergehende Lektüren. Der „Schnee von gestern“ glitzert also noch – ein Naturwunder.

Was hat es mit dem Titel auf sich? Gewiss sind viele Anlässe der Texte von gestern: einstige Bücherneuerscheinungen, Todes- und Gedenktage. Angesichts der großen, zeitüberdauernden Linien, die sich in ihnen spiegeln, passt „Schnee von gestern“ als Metapher der Vergänglichkeit in diesem Buch am besten zu Kestings Sätzen über Literaturkritik, über ihr Wesen und die allmähliche Abnahme ihrer Bedeutung. In einer Würdigung des großen Kritikers und Rhetorikers Marcel Reich-Ranicki heißt es: „Die Literaturkritik ist zwar nicht völlig verschwunden, aber als strukturiertes und qualifiziertes Instrument löst sie sich zunehmend auf. Der Beruf wird zu einer Sache von Spezialisten mit nur noch geringer Relevanz für die breitere Öffentlichkeit. Man kann es allerorten beobachten. Ihre Majestät die Literatur ist [aber] auch weiterhin darauf angewiesen, dass einzelne Menschen sich in Ruhe auf Bücher einlassen, besser: auf Literatur. Denn nur wenig, was als Buch gedruckt wird, gehört im emphatischen Sinn zur Literatur.“ Was Kesting hier (ursprünglich im Rundfunk 2013) feststellte, ist im seither vergangenen Jahrzehnt weiter vorangeschritten. In diesem Sinne mag der Titel auch etwas Wehmütiges haben.

Nimmt man die Summe von Kestings Büchern, durchmessen sie ein ausgedehntes literarisches Universum, Bildungslektüre im allerbesten Sinn, nicht lehrbuchhaft, sondern spannend vermitteltes Wissen. „Schnee von gestern“ fügt sich harmonisch in Kestings weitere Werke ein, die in der Summe eine umfangreiche veritable Literaturgeschichte in Einzeldarstellungen präsentieren, die sich von akademischen Werken darin unterscheidet, dass sie sich bei mindestens gleicher, aber allermeist höherer Substanz glänzend liest und den Bildungseffekt mit großer Unterhaltsamkeit kombiniert. „Delectare et prodesse“ (Erfreuen und Nützen) war ein kulturelles Leitbild der Lateiner, hier finden wir es für alle Literaturfreunde in Reinkultur.

Michael Klein

Hanjo Kesting: Schnee von gestern
Wehrhahn Verlag, Hannover, gebunden

„Der unbekannte Charles Dickens“

Charles Dickens, Bei Dämmerung zu lesen, TitelMit diesem Titel überschreibt Julia Janzen, Redakteurin der Waldeckischen Landeszeitung, ihren Artikel über den aktuellen Band der Klassikerreihe im Morio Verlag, „Bei Dämmerung zu lesen“, der Schätze aus Dickens’ Zeitschriftenarbeiten versammelt – etliche erstmals auf Deutsch –, sowie über Hintergründe zur Arbeit an der Reihe als solcher.

Der am 16.6.2023 erschienene Artikel der WLZ ist jetzt vollständig auch online zu lesen. Interessenten finden ihn durch einen Klick hier sowie auf den Seiten der Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen Zeitung (HNA) hier.

(Weitere Informationen zu „Bei Dämmerung zu lesen“ von Charles Dickens gibt es hier, zu Joseph Conrads und Ford Madox Fords „Die Natur eines Verbrechens“ hier. Informationen zur Reihe und eine Bestellmöglichkeit der Bücher gibt es auch auf der Website des Verlags, konkret Dickens hier.)

Zum 150. Geburtstag von Ford Madox Ford

Kommende Ereignisse werfen ihre Cover voraus

Joseph Conrad, Ford Madox Ford: Die Natur eines Verbrechens

In einem Brief an seine Geliebte, die fern in Rom weilt, gesteht ein vermeintlich wohlhabender Geschäftsmann, dass er vor dem Nichts steht und dass er nur noch einen Ausweg sieht: Selbstmord. Er beginnt, die Umstände eines begangenen Verbrechens zu beschreiben, gerät in Bekenntnisse, lässt Lebenslügen durchscheinen, gibt immer mehr von sich preis, kommt buchstäblich auf Gott, die Welt und den Sinn zu sprechen. Aber was in seinen Bekenntnissen ist echt und was lediglich Pose? Und warum verzögern sich die Dinge und werden weitere Briefe nötig?

Joseph Conrad, Ford Madox Ford, Die Natur eines Verbrechens, Cover„Die Natur eines Verbrechens“ ist keine Kriminalerzählung, sondern ein Bekenntnisbuch, geprägt von einem Blick, der durch eine existentielle Krise in der Wahrnehmung sowohl ungemein geschärft wie verstellt wird. Das lange vernachlässigte Werk der beiden Meisterautoren Joseph Conrad und Ford Madox Ford erscheint erstmals auf Deutsch, wobei das Buch ergänzend, ebenfalls als deutsche Erstveröffentlichung, erhellende Texte von Conrad und Ford über ihre Zusammenarbeit enthält. In einem Essay beschreibt der Herausgeber die Hintergründe und durchaus überraschende Komplexität des Werks.

Die Bewohner der Jackson-Insel freuen sich, dass damit bereits der achte Band aus der Reihe „Klassische Literatur im schönen Gewand“ aus dem Morio Verlag erscheint.

Das Buch lässt sich hier vorbestellen.

Informationen über weitere Titel aus der Reihe gibt es hier und auf der Website des Verlags.

Charles Dickens: Bei Dämmerung zu lesen

Unbekannte Glanzstücke aus Dickens’ Feder

Zwischen uns beiden sei’s gesagt: bewunderungswürdig!“, frohlockt Charles Dickens in einem Brief an einen Freund und kann sich in dieser Äußerung der Begeisterung über einen eigenen Text, den er gerade für seine Zeitschrift „Household Words“ geschrieben hat, nicht enthalten. Dickens war zeitlebens ein journalistischer Schriftsteller, verfasste bereits als Teenager Artikel und Berichte und verdankte seinen frühen immensen Erfolg den Skizzen und Erzählungen, die er in Zeitungen veröffentlichte.

Charles Dickens, Bei Dämmerung zu lesen, TitelMit „Household Words“ und „All the Year Round“ gründete er später zwei eigene Zeitschriften, in denen er nicht nur seine Romane in Fortsetzungen erscheinen ließ, sondern darüber hinaus regelmäßig Erzählungen, Reportagen und Kommentare zum Zeitgeschehen. Anspruch, Unterhaltung und Drängen auf Sozialreformen waren Dickens’ Ziele als Zeitschriftenmacher, und der Erfolg spiegelte sich in den Hunderttausenden von Leserinnen und Lesern, die jede Ausgabe erreichte.

Dieser Band versammelt die besten bei uns unbekannt gebliebenen Dickens-Beiträge, zahlreiche davon erstmals auf Deutsch. Dickens’ Feder braust vor Energie, Angriffs- und Erzähllust und gar manches erweist sich als zeitlos und heute wieder aktuell.

Charles Dickens (1812-1870) gehört bis heute zu den beliebtesten Schriftstellern der Weltliteratur, in England ist er geradezu eine nationale Institution, und auch bei uns erfreuen sich seine Werke einer nicht nachlassenden Beliebtheit. Sein „Weihnachtslied in Prosa“ erscheint im deutschsprachigen Raum bis heute alljährlich in immer neuen Ausgaben und Adaptionen. Dickens’ lebensvoller Erzählstil, sein quirliger Humor, sein vehementer Humanismus und seine mitreißende Schaffensfreude brachten ihm den Beinamen „der Unnachahmliche“ ein, seine Romane wie „Oliver Twist“, „David Copperfield“, „Little Dorrit“, „Eine Geschichte zweier Städte“ oder „Große Erwartungen“ wurden zu unvergänglichen Klassikern.

Charles Dickens

Bei Dämmerung zu lesen

Ungehobene Schätze aus seinen Zeitschriftenbeiträgen

Mit zahlreichen Texten erstmals auf Deutsch

Herausgegeben, übersetzt und mit einem Nachwort von Michael Klein

172 Seiten, gebunden, 26 €

Morio Verlag, 2022

 

Stimmen zum Buch

Da und dort sind in der Vergangenheit auch schon einige journalistische Arbeiten von Dickens ins Deutsche übersetzt worden. Aber dieses Büchlein zeigt, wie unentdeckt dieser begabte Zeitschriftenautor tatsächlich noch ist. Und vor allem, wie gegenwärtig die Themen sind, die ihn schon vor 120 Jahren ärgerten und dazu brachten, die ganz spitze Feder herauszuholen.“

Ralf Julke, Leipziger Zeitung

 

Eine Auswahl der bislang bei uns weitgehend unbekannt gebliebenen Beiträge Dickens’ hat der Journalist und Übersetzer Michael Klein jüngst zusammengestellt. Die zwischen 1836 und 1855 publizierten Texte, einige davon erscheinen erstmals auf Deutsch, beeindrucken vor allem durch ihre zeitlose Aktualität. Der Band mit Kostproben von Dickens’ journalistischen Arbeiten ist in der kleinen, aber feinen Edition „Klassische Literatur im schönen Gewand“ im Morio Verlag erschienen. Inzwischen liegen bereits sieben Titel vor – hoffen wir auf weitere Entdeckungen.

Mathias Iven, Das Blättchen – Zweiwochenschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft

 

Dieses Buch ist, hat man sich erst in Duktus und Rhythmus der Sprache eingelesen, der pure Genuss. Welche Lust am Erzählen, welche Energie, welcher Sprachwitz, welcher Humor! – Michael Klein bringt in diesem Buch einige der unbekannten Glanzstücke des „Unnachahmlichen“ – wie man Dickens auch nannte – an die Öffentlichkeit. Da kann man nur sagen: Danke!

07 Das Magazin für Gera und Region

 

„Bei Dunkelheit zu lesen“ enthält unbekannte, bis heute aufschlussreiche Perlen aus der Feder von Charles Dickens – einem Freigeist.

Tobias Prüwer, Chemnitzer Zeitung

 

Klassische Literatur im schönen Gewand, handverlesen von Michael Klein – zur Broschüre mit allen früheren Titeln der Reihe im Morio-Verlag geht es hier.

Unbekannte Glanzstücke aus Charles Dickens’ Feder

Kommende Ereignisse werfen ihre Cover voraus

Charles Dickens, Bei Dämmerung zu lesen, Titel„Zwischen uns beiden sei’s gesagt: bewunderungswürdig!“ frohlockt Charles Dickens in einem Brief an einen Freund und kann sich in dieser Äußerung der Begeisterung über einen eigenen Text, den er gerade für seine Zeitschrift „Household Words“ geschrieben hat, nicht enthalten. Dickens war zeitlebens ein journalistischer Schriftsteller, verfasste bereits als Teenager Artikel und Berichte, verdankte seinen frühen immensen Erfolg den Skizzen und Erzählungen, die er in Zeitungen veröffentlichte, und gründete mit „Household Words“ und „All the Year Round“ später zwei eigene Zeitschriften, in denen er nicht nur seine Romane in Fortsetzungen erscheinen ließ, sondern darüber hinaus regelmäßig Erzählungen, Reportagen und Kommentare zum Zeitgeschehen.

Anspruch, Unterhaltung und Drängen auf Sozialreformen waren Dickens’ Ziele als Zeitschriftenmacher, und der Erfolg spiegelte sich in den Hunderttausenden von Lesern, die jede Ausgabe erreichte. Der Band „Bei Dämmerung zu lesen“, der in Kürze erscheint, versammelt die besten bei uns unbekannt gebliebenen Dickens-Beiträge und präsentiert eine Vielzahl davon zum ersten Mal auf Deutsch.

Dickens’ Feder braust vor Energie, Angriffs- und Erzähllust und gar manches erweist sich als zeitlos und heute wieder aktuell.

Christopher Ecker – Herr Oluf in Hunsum

Aus der Reihe: Bücher, die sich wirklich lohnen

Christopher Ecker: Herr Oluf in Hunsum

MDV, 232 S., gebunden

Ecker furios

Gelegentlich ist es ja schwierig, in einer Kritik den distanzierten Tonfall der durchdachten Abwägung durchzuhalten, zum Beispiel bei diesem Buch. Einfach, weil es derart erstklassig erzählt. Rasant, intelligent, erfrischend dreist. Verzagt aber auch, passenderweise. Virtuos komponiert, souverän im Stil, kühn in den Perspektivenspielen. Verwirrt fragt man sich, ob die Fähigkeit zur Kritik temporär lahmgelegt ist, man sucht nach Fehlern: vergeblich. Man greift nach einem anderen Buch, das man unlängst gelangweilt beiseitelegte. Nein, das kritische Bewusstsein ist intakt, dieses Buch ist langweilig wie zuvor. Man sieht: der neue Ecker ist besorgniserregend gut.

Kunstprofessor Oluf Sattler steht zu Beginn des Romans mit beiden Beinen fest in einem ausgewachsenen Dilemma. Er hat im fernen Hunsum an der Nordsee einen für ein ganzes Institut ungemein wichtigen Vortrag zu halten (Stichwort: Fördergelder) und ist deswegen unverzichtbar und unmittelbar vor der Abreise stehend. Zeitgleich erkrankt daheim heftig fiebrig seine Ehefrau – samt Kleinkind neben ihr –, die er unversorgt alleinlassen muss, wenn er seiner Unverzichtbarkeit Folge leisten will.

Guter Rat ist unbezahlbar, weil schwer möglich. Keine Zeit, Dinge zu organisieren, Aufbruch ins Verderben oder Daheimbleiben ins Verderben die Möglichkeiten, die bleiben. Oluf Sattler vermag nicht abzusagen, also bricht er gewissensgeplagt auf und setzt sich einer Dreieinigkeit der Plagen aus: der nun überaus ungeliebten Fahrt und ihrem Vortrag, dem Kopfkino der unentwegten Besorgnisse und dem erbarmungslosen Schweigen des Handys. Denn Sattler ruft zuhause an, niemand hebt ab oder ruft zurück, und sein Handy quält ihn nach kurzer Zeit mit mordernstem Fortschritt in Form von wirren und fehlgehenden Sicherheitsabfragen und Captchas. In der Welt und abgeschnitten von den Liebsten, es erschüttert ihn bis in die Grundfesten.

Christopher Ecker, Herr Oluf in Hunsum, TitelDas ist furios und allgemeingültig beschrieben. Es geht schmerzlich und bitter zu in diesem Roman, die simple Banalität dessen ist ebenso plastisch geschildert, obendrein brandet mitreißender Humor auf. Passt das zusammen? Und wie. Inhaltlich ist dieser Roman zu seinen Vorgängern lange Zeit ein Winkelzug. Ecker liebt es, uns in Wirklichkeitszersetzungen und Realitätstücken zu führen, aber diesmal präsentiert er die Welt überwiegend so bodenständig, wie sie ein Protagonist zwischen bewusster, konzentrierter Erdung und Seelenpanik nur erleben kann – gespickt mit ironisch-satirischen Seitenhieben auf den Wissenschaftsbetrieb, französische Modephilosophen, die Freuden der Paartherapie oder Bemerkungen über Kunst und Kapitalismus. Eckers kühne Perspektivenbrechungen sind ebenso faszinierend wie die eingewirkten Binnengeschichten, deren allerbeste einen lange heiteren Frankreichurlaub schildert, der so schrecklich endet wie Sattlers aktuelle Fahrt.

Denn dem Unheil eines verkorksten Vortrags folgt Sattlers traumähnliche Irrfahrt durch unheimlich-heimisch-vertrautes Gelände voller Orientierungslosigkeit, inklusive Zusammentreffen mit „auf vulgäre Weise attraktiv“ aufgebrezelten Zwillingen und schließlich einer ländlich derb-rustikalen Mordszene, die auch dem Kriminalroman entsprungen sein könnte, den Sattler zu lesen begonnen hat. Dieses Finale des Buchs bleibt mit Sattlers direktem Erleben noch atmosphärisch-assoziativ verknüpft, Freuds Traumdeutungserkenntnisse liefern einen zusätzlichen Schlüssel, den Motivverschiebungen zu folgen. (Schon Eckers Vorgängerroman, „Die letzte Kränkung“, wies einen Bezug zu Freud auf.)

Der Schluss, in dem eine Tankstelle zum Schlachthaus wird und / oder der Protagonist überraschenden Ruhm und neues Glück mit einer jungen, sexy Künstlerin erlebt, oszilliert nach seiner kurzen Einleitung („Der Rest ist schnell erzählt“) zwischen Alp- und Wunschtraum. Wirklich überzeugend geht das Buch in seinem Schluss nicht auf. Nein, nein, um Missverständnisse gleich zu vermeiden: Natürlich schreibt Christopher Ecker keine Bücher, die in einem auch nur annähernd platten Sinn „aufgehen“ sollen. Aber auch in seinem Nichtaufgehen gibt es einen motivlichen Faden, der in „Herr Oluf in Hunsum“ bis kurz vor Ende des Romans stimmig bleibt, auch die grotesk-alptraumartigen Szenen haften atmosphärisch immer noch am inneren Geschehen. Doch die Auslassungen, die am Ende ins Düster-Existentielle oder Traumlösungs-Triviale münden, entfliehen dem Konflikt und wirken deshalb weniger virtuos. Über weite Strecken ist dies Eckers bester Roman; man hätte seinem Schwung noch ein meisterhaftes Finale gewünscht, dann wäre man aus dem Loben gar nicht mehr herausgekommen.

MICHAEL KLEIN

Der Klassiker des historischen Romans

Walter Scott zum 250. Geburtstag

Walter Scott, der Klassiker des historischen Romans, Porträt

Walter Scott, Klassiker des historischen Romans

Heute vor 250 Jahren, am 15. August 1771, wurde Walter Scott geboren, einer der gefeiertsten, bedeutendsten Autoren seiner Zeit, der Klassiker des historischen Romans, der mit „Waverley“ (1814) den Prototyp dieser Gattung schuf, dessen Vorbild bis heute nachgeeifert wird.

„Ivanhoe“ und „Quentin Durward“ wurden zu seinen größten Erfolgen, prächtige Abenteuerbücher beide, doch in seinem reichen Werk gibt es noch zahlreiche Edelsteine von zeitloser Qualität, man denke an fulminante Romane wie „Old Mortality“, „Die Braut von Lammermoor“ oder das Spätwerk „Chrystal Croftangrys Geschichte“ – Bücher, die es lohnt, wieder zu lesen und zu würdigen.

Denn dass Walter Scott etwas aus der Mode gekommen ist, spricht wahrlich nicht gegen ihn.

Lesen wir hinein, was Größen der Literatur über ihn zu sagen wussten:

 

Man liest viel zuviel geringe Sachen, womit man sich die Zeit verdirbt. Man sollte eigentlich immer nur das lesen, was man bewundert, wie ich es nun an Walter Scott erfahre. Da ist nun freilich alles groß, Stoff, Gehalt, Charaktere, Behandlung, und dann der unendliche Fleiß in die Vorstudien, sowie in der Ausführung die große Wahrheit des Details! Er ist der reichste, gewandteste und berühmteste Erzähler des Jahrhunderts.

Johann Wolfgang von Goethe

 

Sir Walter Scott war Britanniens größter Dichter, man mag einwenden und sagen, was man will.“

Heinrich Heine

 

Du bittest mich, Dir ein paar Bücher als Lektüre zu empfehlen. An Romanen empfehle ich ausschließlich Scott; alles nach ihm taugt nichts mehr.“

Charlotte Brontë

 

Dieser Schriftsteller ist so bedeutend, dass das Erste, was man von ihm liest, immer in Erstaunen setzt, man mag zu ihm gelangen, von welcher Seite man wolle.“

Ludwig Tieck

 

Walter Scott, Chrystal Croftangrys Geschichte, Cover„Die Schönheit der Küsten und Inseln, Seen und Berge des schottischen Hochlands ist unbestreitbar groß, aber doch vielleicht nicht so groß, wie mancher versucht sein könnte aus Walter Scott`schen Schilderungen herzuleiten. Nicht als ob diese Schilderungen der Wahrheit selbst entbehrten, gegentheils, sie zeichnen sich fast immer durch eine daguerreotypische Treue aus, die neben so vielem anderen zur Bewunderung hinreißen muß: aber es bleibt beim Leser selbst jener verzeihliche Irrthum nicht aus, der die Schilderung mit dem Geschilderten unwissentlich verwechselt und die Makellosigkeit, den Schwung und imposanten Vollklang der poetischen Beschreibung auf das beschriebene Objekt überträgt. Das Erscheinen seines ersten Romans fiel mit dem Sturz der napoleonischen Herrschaft zusammen, und man darf ohne Übertreibung sagen, der Name Walter Scott fing an, den Namen Napoleon im Munde des Volkes, wenigstens der Gebildeten aller Völker, abzulösen.“

Theodor Fontane

 

Das Erscheinen eines neuen Romans aus seiner Feder verursachte in den Vereinigten Staaten eine größere Sensation als manche Schlacht Napoleons.“

Samuel Goodrich

 

Walter Scott: Die Braut von Lammermoor - CoverWalter Scott ist der König der Romantiker.“

Robert Louis Stevenson

 

Mein ganzes Leben lang habe ich mich an den Romanen von Walter Scott erfreut!“

Jules Verne